Die Arbeit Fringes of Utopia von Bettina Lockemann besteht aus 55 s/w Fotografien, die im Buch
und als Wandarbeit präsentiert werden. Im Büro Spors in Berlin ist eine Auswahl
großformatiger Inkjetprints zu sehen. Lockemann fotografierte Städte im amerikanischen
Westen wie Los Angeles, Las Vegas und San Diego. Zu sehen sind u.a. Parkplätze und Zäune,
ausgedorrte Rasenflächen und Grünstreifen, Stadtautobahnen und Einfahrten von Tiefgaragen,
Lüftungsschächte oder Rückansichten von Gebäuden. Die Fotografin findet ihre
Sujets in der dichten Struktur der Stadt genauso wie in Vorortsiedlungen. Lockemann zeigt aber
weniger bestimmte geografische Szenerien oder topografische Phänomene, sondern analysiert
vielmehr Tendenzen städtischer Entwicklung und die Konsequenzen für die Erfahrbarkeit
solcher Orte. Die repräsentativen Abbilder, die Städte wie Los Angeles als Werbung und
Idealvorstellung produzieren, werden durch die blinden Flecken der Stadtplanung und Architektur
mehr als kontrastiert. Denn die überzogene und oft eindimensionale Funktionalität vieler
Bereiche, die von Büro -und Geschäftszentren oder einer auf Einkauf und Mobilität
konzentrierten Infrastruktur bestimmt sind, stellen nur einen Ausschnitt einer viel größeren
städtischen Situation dar, die sich aus einer unüberschaubaren Vielzahl von architektonischen
Elementen zusammensetzt. Diese stehen nicht nur für sich selbst, sondern bestimmen im selben
Maße auch die Wahrnehmung der Stadt und prägen das soziale Leben der Bewohner und Bewohnerinnen.
Die Bebauung der Stadt erscheint in Lockemanns Arbeit nicht als positives Moment der Schaffung von Lebensräumen, sondern durchweg als entfremdetes Szenario. Die Stadt ist leer und ohne sichtbare Aktivität. Der ausgedehnte Korpus der Architekturlandschaft erscheint als eine Konstruktion, die eher Isolation und Stillstand befördert. Neben den gezeigten Zwischenräumen, Rückansichten und funktionalisierten Architekturdetails besteht die Arbeit auch aus Abbildungen von Gebäude-Ensembles und Übersichten von Stadtteilen und Landstrichen. Hier wird deutlich, dass die Arbeit längst keine Tendenzen mehr beschreibt, sondern Totalitäten festhält. Was vormals als Fiktion galt, eine kalte und unsoziale Stadtstruktur, in der es sichere und kontrollierbare Räume wie gated communities und überwachte kommerzielle Zentren gibt, ist mittlerweile Realität. Diese Aufsplittung des städtischen Raumes produziert aber auch Zonen, in denen Gesetzmäßigkeiten gelten, die mit akzeptablen und lebbaren Entwürfen wenig zu tun haben. Die Utopie verwirklicht sich dort in ihrer Umkehrung. An den Rändern werden die negativen Seiten des städtischen Lebens und seiner architektonischen Bedingungen sichtbar. Maik Schlüter | 2003 |