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objects in this mirror may be closer than they appear
Mein Interesse gilt dem Umgang mit Bildern. Mit Bildern sind hier fotografische Abbilder,
Fotografien, digitale Bilder, aber auch Film- und Fernsehbilder gemeint. Das sind öffentliche,
medial verbreitete Bilder aus dem angewandten Bereich, die aufgrund ihrer Präsenz im Alltag die
visuelle Wahrnehmung stark beeinflussen. Bilder als Abbilder der Welt, die auf etwas Vorhandenes
verweisen, sollen hier näher betrachtet werden. Was sagt das Bild über das Abgebildete aus? Was
bezeichnet es, was ist die Funktion des Bildes? Wie ist das Abgebildete ästhetisch dargestellt?
Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch
die Massenmedien.(Luhmann1996, S. 9) sagt Niklas Luhmann. Der eigene Erlebnishorizont ist - nach
Luhmann - sehr eingeschränkt. Die westliche Gesellschaft ist durch die mediale Verbreitung von
Bildern geprägt. Fernsehen, Kino, Fotografien in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern konstituieren
ein Weltbild, das ein nicht aus eigener Anschauung erworbenes ist. Das individuelle Sehen wird
durch einen fremden Beobachterstandpunkt ersetzt, der als der eigene rezipiert wird. Als
Mediennutzer übernimmt man den Standpunkt desjenigen, der die Bilder liefert, meist ohne zu
differenzieren, dass es sich um 'fremde' Bilder handelt. Die eigene Wahrnehmung ist von fremden
Positionen beeinflusst, die nicht überprüfbar sind, aber durch die Erfahrungen mit medial
verbreiteten Bildern als durchaus plausibel und 'wahr' wahrgenommen werden.
Das meiste, worüber wir 'im Bilde' sind, ist medial vermittelt. Dies bedeutet, dass uns Dinge
bekannt sind, weil sie, meist in der Kombination von Bildern und Texten, medial verbreitet werden.
Bilder prägen unser Weltbild. Wir 'kennen' die entlegensten Winkel der Welt aus Bildern und meinen
zu wissen, wie es dort ist oder wenigstens, wie es dort aussieht. Mit Begriffen wie: tropischer
Regenwald, Sydney oder Monument Valley verbinden wir eine visuelle Vorstellung, egal, ob wir dort
schon einmal gewesen sind oder nicht. Kennt man diese Gegenden nicht aus der eigenen Erfahrung,
ist die Vorstellung eher 'eindimensional', das heißt, sie bezieht sich auf Bilder, die man schon
einmal irgendwo gesehen hat. Die Vorstellungsmöglichkeiten weiten sich jedoch abhängig von den
persönlichen Erlebnissen weiter aus.
Das Abbild transportiert einen Moment des Authentischen. Das heißt, es verweist auf einen Ort und
eine Zeit und auf eine Sichtweise, also: wie ist das Dargestellte gesehen worden? Das Abgebildete
möchte vom Betrachter zugeordnet werden. Man fragt: was ist auf dem Bild zu sehen? und
identifiziert Gebäude, Bäume, Straßen, Menschen. Man versucht, das Abgebildete mit den eigenen
Wahrnehmungserfahrungen abzugleichen. Dies ist möglich, obwohl Bilder immer einen Abstraktionsgrad
beinhalten. Sie sind zweidimensional und verändern die Größenverhältnisse, sie bieten lediglich
Anhaltspunkte, die durch die Erfahrungen mit der Welt gedeutet werden können. In der Wahrnehmung
von Bildern greift man auf die im Gedächtnis gespeicherten Formen zurück und versucht, diese mit
den visuellen Eindrücken des Bildes abzugleichen. Wenn eine schlüssige Identifikation der
abgebildeten Formen möglich ist, bedeutet das, dass sie als bekannt bezeichnet und als solche
wieder erkannt werden. So werden die Formen mit Objekten der realen Welt in Verbindung gebracht
und entsprechend kategorisiert und eingeordnet. Das heißt, ein Haus kann als Haus wieder erkannt
werden, ohne dass eine spezifische Zuordnung als DIESES eine Haus gemacht werden muss. So kann
ein Bild als Abbild funktionieren, obwohl der spezifische Ort, an dem es gemacht wurde, unbekannt
ist. Der Verweis auf den Ort ist im Bild angelegt, aber das Wiedererkennen nicht unbedingt
erforderlich, um es zu entschlüsseln.
Was also sagt ein Bild tatsächlich über den abgebildeten Ort aus? Ein Bild kann damit operieren,
auf vermeintlich Bekanntes zurückzugreifen, um dem Betrachter das Gefühl zu vermitteln, den
dargestellten Ort bereits zu kennen. Das kann durch verschiedene Mittel erfolgen. Stellt das
Bild Bezüge zu Bildern her, die in unserem Kulturkreis als allgemein bekannt gelten, wird das
Gefühl der Vertrautheit durch den Bekanntheitsgrad des Zitierten festgelegt. Bezüge können aber
auch durch die Betonung des allgemein Bekannten, also gerade in der Negation jeglicher
Spezifikation liegen und so den gleichen Effekt auslösen. Mit dem allgemein Bekannten sind Dinge
gemeint, die in unserem Kulturkreis das Umfeld prägen und die Grundlage für die Kommunikation
untereinander bilden. Dabei kann es sich zum Beispiel um die städtischen und landschaftlichen
Strukturen handeln, die jeder hier aus seiner Erfahrung kennt, da er sich in ihnen bewegt. Es
kann sich aber auch um Bilder handeln, die großflächig medial verbreitet werden und deswegen in
das visuelle Gedächtnis der Mitglieder eines Kulturkreises oder sozialen Zusammenhangs eingehen.
Wird der Bezug zum Ort nicht über das Bild selbst transportiert, geschieht dies, besonders in der
medialen Vermittlung, oft über einen Text, der konkreter als das Bild auf den Ort verweist. Dem
Betrachter wird somit suggeriert, er sähe tatsächlich diesen Bezug auf dem Bild, auch wenn der
direkte Bezug im Bild nicht mit angelegt ist. Steht ein Bild in Zusammenhang mit einem Text, ist
es fast unmöglich, das Bild losgelöst vom Text zu betrachten und herauszufinden, ob das textlich
Beschriebene wirklich im Bild vorhanden ist. Hier möchte ich die Frage stellen, ob ein Bild, das
beispielsweise eine Übersicht von Reykjavik zeigt, dadurch gewinnt, dass Reykjavik als Titel
daneben steht. Oder ob dies nicht eher den Effekt auslöst, dass man sagt: aha, so sieht also
Reykjavik aus, und das Bild nicht mehr als eigenständige ästhetische Form oder als Träger einer
Information wahrnimmt. Das Informationsbedürfnis ist bereits durch den Text abgedeckt, der sich
direkter an Wissen und Intellekt richtet als das Bild. Das Bild funktioniert als Beweis, dass es
Reykjavik tatsächlich gibt und dass es dort - wie gezeigt - aussieht. Dabei ist auch nicht
thematisiert, dass ein anderer Ausschnitt oder Blickwinkel einen völlig anderen Eindruck erzeugen
kann. Ist der textliche Verweis nicht vorhanden, also der konkrete Ort nicht zu identifizieren,
verliert das Bild an Beweiskraft, da nicht klar ist, was es denn nun beweisen soll. Anders verhält
es sich natürlich, wenn der abgebildete Ort aus der eigenen Erfahrung bekannt ist. Dann wird das
Bild mit der persönlichen Erfahrung abgeglichen. Entweder, man erkennt den Ort wieder und sieht
sein Wissen über den Ort bestätigt, oder aber man bemerkt eine Diskrepanz und stellt das Bild als
Dokument in Frage.
Die Wahrnehmung von Bildern ist stark durch den Kontext und die Erwartungshaltung gesteuert.
In einem Hochglanzmagazin erwartet man andere Bilder als in einer Tageszeitung oder im Fernsehen.
Es stellt sich die Frage, ob es möglich ist, sich in der Bildbetrachtung von dieser Erwartungshaltung
zu befreien und so auch Neues zu entdecken, das in dem entsprechenden Kontext nicht geläufig ist.
Durch eine Änderung des Kontextes wird eine andere Betrachtungsweise des Bildes möglich. So können
die Bilder der Arbeit Die virtuelle Stadt, die von Live-Kameras aus dem Internet stammen, an der
Wand als Bilder betrachtet und auf ihre ästhetische Wirkungsweise hin untersucht werden. Sie werden
von der Pflicht entbunden, einen direkten Einblick in das Szenario einer konkreten Stadt zu geben
und das aktuelle Geschehen aufzuzeigen.
Im Bereich der Bilderzeugung für die mediale Verbreitung, aber auch in der privaten
Schnappschussfotografie, liegt die Motivation, Bilder zu machen darin, etwas zu zeigen, was so
vom Betrachter nicht gesehen werden kann. Es ist im Bild angelegt, das Besondere zu thematisieren.
Das Besondere kann in einer speziellen Sichtweise liegen oder aber in der Entfernung zwischen dem
Ort des Abgebildeten und dem potenziellen Betrachter. Das muss nicht eine georafische, sondern kann
auch eine soziale Entfernung sein. Die Intention des Bildermachens ist meist, dem Betrachter etwas
vermitteln zu wollen, das nicht in seinem alltäglichen Umfeld liegt. Dahinter verbirgt sich eine
kulturelle Logik, die besagt, dass das Bild, weil es Bild ist, das Besondere zeigt. Das Abbild
erhöht das Abgebildete. Die Tatsache, dass es abgebildet wurde, hebt das Abgebildete von den Dingen
ab, die nicht abgebildet wurden. Das Bild verschafft dem Abgebildeten eine Aura des Besonderen,
auch wenn es eigentlich nur eine Reproduktion dessen ist, was vermeintlich als 'besonders' medial
vermittelt wird. Das Besondere kann durch die Art der Umsetzung noch weiter gewinnen, indem es
formal spektakulär ins Bild gebracht wird.
Wenn man nun versucht, das Unspektakuläre, das Alltägliche, unspektakulär abzubilden oder aber
auch das Spektakuläre unspektakulär abzubilden, gelangt der Betrachter, der im Bild das Besondere
erwartet, an seine Grenzen, da er nicht ohne weiteres die Legitimation des Bildes erkennen kann.
Denn wenn das Alltägliche in seiner Alltäglichkeit als nicht abbildenswert angesehen wird, woraus
beziehen dann Bilder davon ihre Legitimation? Der fotografische Verweis auf das Banale scheint
überflüssig, da es ja hinlänglich bekannt ist und eine Hervorhebung nicht verdient. In der
Schnappschussfotografie, die auf den ersten Blick für den außen stehenden Betrachter banal wirkt,
wird das Banale in seiner Momenthaftigkeit aufgeladen. Im Akt des Abbildens wird der Moment
zelebriert und archiviert, um ihn von anderen Momenten abzuheben. Fällt diese Aufladung fort,
bleibt auch diese Art der Bildbetrachtung unbefriedigt. Die Frage nach der Legitimation bleibt
bestehen. Mit diesem Aspekt beschäftigt sich die Arbeit Die internationale Stadt.
Schwarz-weiß-Fotografien von verschiedensten Städten, die Häuser, Bäume, Straßen, Autos und
Menschen zeigen, aber gerade nicht auf die konkrete Stadt verweisen, werden in einer Diaprojektion
in schneller Folge gezeigt. Die Alltäglichkeit des Abgebildeten wirft die Frage nach der Legitimation
der Bilder auf. Gleichzeitig geht es auch darum, eine Ebene für den Betrachter zu schaffen, aufgrund
seiner visuellen Erfahrungen eine eigene Lesart zu entwickeln. Die Anhaltspunkte für eine Lesbarkeit
in den Bildern selbst sind gering, sie verweisen auf die Assoziationsmöglichkeiten des Betrachters.
Daraus resultieren sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen.
Die Beschäftigung mit Bildern bringt es mit sich, dass man sehr viele Bilder sieht und sehr vieles
aus Bildern kennt. Wenn man selbst dann auch noch Bilder macht, stellen sich immer wieder
verschiedene Fragen: Wie gehe ich mit dem um, was ich kenne? Wie kann ich mich zu den Bildern,
die mich prägen, verhalten? Ist es möglich, mit der Beliebigkeit, die durch die steigende visuelle
Dichte in unserem Kulturkreis entsteht, umzugehen? Und ist es möglich, sich einer Beliebigkeit zu
entziehen indem man Bilder macht?
Ein Gangster sagt in dem Film Schießen sie auf den Pianisten, den François Truffaut 1960 gedreht
hat:
...ich hab' noch einen amerikanischen Füller mit eingebautem Schnorchel, zusammenziehbarer Spitze
und automatischer Füllvorrichtung. Einen Gürtel aus Schlangenhaut. Einen Hut mit Klimaanlage.
Und mein Anzug stammt aus London. Echte australische Schafwolle. Und meine Schuhe sind in Ägypten
gemacht, die vertragen die größte Hitze. Mir kann nichts mehr imponieren, ich kenne alles, was es
gibt.
Dieses Gefühl, alles zu kennen bzw. alles schon gesehen zu haben und von nichts mehr beeindruckt zu
sein, wird immer wieder durch die Wahrnehmung von Bildern ausgelöst. Bilder werden kategorisiert
und gar nicht mehr genau angeschaut, da sie vermeintlich nichts Neues offenbaren. Es entsteht das
Gefühl, nur noch mit Variationen von bereits vorhandenem Bildmaterial konfrontiert zu sein. Doch was
erwartet man überhaupt von Bildern, wenn man sie anschaut? Erwartet man, lediglich mit Dingen
konfrontiert zu werden, die man schon kennt, damit es kein Problem mit der Zuordnung gibt, oder verspricht
man sich noch eine neue Erkenntnis, einen interessanten Blickwinkel oder einen originellen Ansatz?
Wahrscheinlich ist es eine Mischung von all dem, jedoch lassen sich diese Fragen nicht allgemein beantworten.
Vielmehr sollte man seine eigene Erwartungshaltung Bildern gegenüber überprüfen.
In der Auseinandersetzung mit bekanntem bzw. vorhandenem Bildmaterial können die Grenzen des
Bildverständnisses ausgelotet werden. Hierbei stehen aber nicht Formen der Appropriation zur
Diskussion, vielmehr geht es um die Frage, wie man mit der Erzeugung von Bildern der viel beschworenen
Bilderflut etwas hinzufügen bzw. in welcher Form man sich mit den verbreiteten Bildern auseinandersetzen
kann. Es ist ein Bereich, die Möglichkeiten der Abbildung durch Fotografie in Frage zu stellen.
Um eine eigene künstlerische Position zu entwickeln und der Bilderflut eigenständige Bilder
entgegenzusetzen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine besteht z.B. darin, einen subjektiven Blick
zu etablieren, der speziell einen persönlichen Umgang mit der Welt verdeutlicht, um sich damit von
bekannten Bildwelten zu distanzieren. Daraus resultiert aber das Problem, dass die Motivation auf dem Wunsch,
etwas anders zu machen, beruht und somit die bekannten Bildwelten auf Umwegen legitimiert. Eine andere
Möglichkeit besteht darin, die Herausforderung der 'Bilderflut' anzunehmen und mit seinen Bildern
direkt auf bekannte Bildwelten zu verweisen, um so eine eigenständige Position zu erarbeiten.
Der direkte Bezug heißt, Bilder zu machen, die den Bildern, die bekannt sind, formal und inhaltlich
ähneln. Dieser Ansatz hat sich in meiner Arbeit nach und nach entwickelt und liegt am ehesten der
Videoarbeit Landschaft zugrunde. Auf einer Reise durch den Westen der USA schien mir die Landschaft aus
Filmen und Fotografien sehr vertraut, obwohl ich noch nie dort gewesen war. Ich habe während des
Fotografierens versucht, die Landschaft möglichst so zu zeigen, wie ich sie aus dem Fernsehen kenne,
nämlich als Hintergrund, ohne gerade das Spektakuläre zu betonen. Um den Assoziationsrahmen für
den Betrachter auf den Ursprung der Bilder zurückzuführen, werden die Fotografien animiert und auf
einem Fernseher als Video präsentiert.
Die Suche nach neuen Wegen in der Wahrnehmung von Bekanntem kennzeichnen das Projekt objects in this mirror
may be closer than they appear. Ausgehend von einem Interesse an Abbildungsmöglichkeiten und dem Wunsch,
Bilder zu machen, sammle ich Bilder, die analytisch betrachtet zu neuen Erkenntnissen führen können.
Man könnte diesen Prozess fast eine Art Forschungsansatz nennen. Ich gehe Thesen nach, um sie mittels
der Fotografie zu verifizieren. Die Bilder, die entstehen, sind Ausgangsmaterial für die weitere Umsetzung.
Es interessieren mich die unterschiedlichen medialen Möglichkeiten, die wiederum eine Verbindung zu
Bildwelten, die mich umgeben, herstellen. Die Fragestellungen resultieren jedoch aus einem fotografisch
geprägten Denken. Fotografie zu benutzen und medial andere Zusammenhänge zu schaffen, hat meine
Arbeitsweise entscheidend geprägt.
Literatur: Luhmann, Niklas (1996): Die Realität der Massenmedien.
2., erweiterte Auflage, Opladen:
Westdeutscher Verlag