unbestimmtes terrain  2009
Kurzbeschreibung


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Im Frühjahr 2009 hat Bettina Lockemann die Fotoserie »Unbestimmtes Terrain« in den türkischen Städten Istanbul – der alten osmanischen – und Ankara – der modernen türkischen Hauptstadt – fotografiert. Ausgehend von der Frage, ob sich Anhaltspunkte für die Bestimmungen eines Grenzverlaufs zwischen Europa und Asien finden lassen, hat sie sich die beiden Großstädte unter Einbeziehung der Entwicklungen der letzten einhundert Jahre näher angeschaut. Die entstandene Fotoserie lässt sich ganz auf die verschiedenen Aspekte und Schichten des Urbanen ein. Sie zeigt sowohl eher Vertrautes als auch Fremdes und dringt weit in den Stadtraum vor. Es fällt auf, wie sich dabei den BetrachterInnen der Blick verstellt: Die Bildausschnitte sind oft so gewählt, dass kaum Ausblicke oder Überblicke möglich sind: Autos, Bauzäune oder Hauswände verstellen die Sicht.

Die Bilder präsentieren ihren BetrachterInnen Spuren gesellschaftlichen Wandels im urbanen und suburbanen Raum. Unbestimmt bleibt die Tiefe dieses Wandels: Wann hat er zum Beispiel begonnen? Erst vor wenigen Jahren? Vielleicht bereits mit den spektakulären Eingriffen Atatürks in die türkische Gesellschaft? Oder deuten heute sichtbare Übergänge, Umbrüche und Verwerfungen gar auf eine Kontinuität des Wandelns, etwa als charakteristischer Zug dieser Gesellschaft zwischen disparaten kulturellen Einflussbereichen, im geografischen Dazwischen? Dass etwas geschieht, wird deutlich, doch was, und wohin es führen wird, bleibt offen.

In Bettina Lockemanns Fotografien entfaltet sich diese Offenheit. Eine historische Konstellation gibt den konzeptuellen Leitfaden: Das Istanbul des 19. Jahrhunderts präsentierte sich als eine multiethnische und -religiöse Metropole, in der die verschiedenen Gruppen jedoch »Rücken an Rücken« zueinander lebten, sich gegenseitig kaum wahrnahmen und so auch keine gemeinsamen Perspektiven mit den unterschiedlichen, mal nahen, mal fernen Nachbarn entwickelten. Fehlende Wahrnehmung – als Resultat von empfundenen Überraschungen, Kränkungen oder machtpolitischen Verboten – greift Lockemann in ihren Bildern auf. Im verstellten Blick werden Abwenden und Nicht-Hinschauen thematisiert. Und für EuropäerInnen werden die kaum nachvollziehbaren Aufsplitterungen und Zwischenräume der türkischen Gesellschaft erfahrbar.

Das Projekt wird unterstützt von: